Kanutrekking

Am Wochenende oder nach Feierabend ins kleine Abenteuer stürzen: Wasserwandern ist ein umweltfreundliches Naturerlebnis, für das man nicht viel braucht, und gerade im Herbst eine schöne Möglichkeit. Für uns geht es mitten durch die Holsteinische Schweiz.

Mit einem leisen Schlotzen taucht das Paddelblatt ins Wasser ein. Die Tropfen, die bei jedem Auftauchen runterrinnen, glitzern in der Sonne. Es ist Frühherbst geworden, die ersten Blätter verfärben sich und die Gewässer Deutschlands sind nicht mehr so überlaufen. Wenn andere die Saison langsam beenden, machen wir uns auf den Weg. Kanufahren vor der Haustür, das ist eines dieser Dinge, die man schon viel zu lang nicht mehr gemacht hat, dabei ist es so einfach. Wer kein eigenes Boot hat, mietet sich eins, Routen und Verleihstationen gibt es in ganz Deutschland. Nicht lang planen, einfach machen. Egal ob Tagesausflug, große Tour oder Overnighter. Wir entscheiden uns spontan für letzteren und schwingen uns auf die Schwentine, von Kiel nach Plön und wieder zurück.

Der Heilige Fluss, wie er einst von den Slawen genannt wurde, schlängelt sich an Wäldern, Wiesen und Schilf vorbei. Wegen der geringen Strömung müssen wir uns nirgends abholen lassen, sondern können sowohl flussauf- als auch -abwärts paddeln. Über 50 Kilometer und gut ein Dutzend Seen können auf der Schwentine mit einigen Umtragestellen befahren werden. Wir setzen dort ein, wo sie in die Förde mündet, mitten in der Stadt. Ein norddeutsches Original mit Kapitänsmütze und Hosenträgern macht in aller Seelenruhe Boote für Gäste bereit, als wir das Kanu ins Wasser schieben. Das Thermometer ist heute noch mal über die 15-Grad-Marke geklettert und neben uns hatten scheinbar noch andere die Idee, den Wasserweg zu wählen. Schon nach ein paar Paddelschlägen ist davon allerdings nichts mehr zu sehen. Die Schwentine entspringt dem Bungsberg, der höchsten Erhebung in Schleswig–Holstein, und durchzieht die gesamte Holsteinische Schweiz. Was sie so reizvoll macht, ist die Abwechslung, die sie bietet.

In der nächsten Kurve sieht es schon wieder ganz anders aus als auf dem Abschnitt davor. Ein paar Schläge hinter prunkvollen Häusern mit Wassergrundstück und Steg führt eine Abzweigung in eine idyllische Sackgasse. Hier begegnen wir keiner Menschenseele. Am Ufer machen die Enten Mittagsschlaf und ruhen, die Schnäbel unters Gefieder gesteckt. Nur ein Auge geht kurz auf und begutachtet uns für einen kurzen Moment. Wir machen Rast, obwohl wir noch nicht lang unterwegs sind, binden unser Kanu einfach an ein Stück abgestorbenes Holz und dümpeln dahin, halten Ausschau nach den Schildkröten, die man hier tatsächlich ab und zu sehen kann. Die Enten und Gänse scheinen den Anblick von Wasserfahrzeugen gewohnt zu sein und kommen, im Gegensatz zu den scheuen Panzertieren, erwartungsvoll an die Boardwand, es könnte ja ein Stück Brot runterfallen. Hili bekommt das bei einer Finger-Futter-Verwechslung zu spüren.

Wir ziehen weiter. Obwohl auf dieser Strecke oft Eisvögel in den Ästen der Weiden sitzen, schwirrt uns diesmal keiner ins Sichtfeld. Motive gibt es trotzdem genug.

Immer wieder schrauben wir den Deckel von unserer wasserdichten Tonne ab, um die Kamera für ein Bild rauszuholen. In der Ferne ertönt ein Schrei, wir vermuten einen Kranich, können ihn aber zunächst nicht entdecken. Eine Flussschleife später steht er dann im seichten Wasser und lauert auf Beute, während unser Kanu gemächlich auf der Wasseroberfläche dahingleitet.

Auf Höhe des Naturschutzgebiets am Schwentine– Tierpark wird Kanuwandern seinem Namen gerecht: Wir müssen umtragen. Mitten durch geht es zwischen Wildschwein, Urschaf und Damhirsch. Der Fluss hat hier regelrecht einen Minicanyon mit tief eingeschnittenem Tal geschaffen – für norddeutsche Flachlandverhältnisse zumindest. Per pedes geht es rund zwei Kilometer weiter.

Eingesetzt wird hinter dem Wehr. Die Schwentine windet sich auch hier in Kurven durch die intakte Natur in unmittelbarer Stadtnähe, zwischendrin immer wieder kleine Inseln. Wo die Schleife einen Bogen macht, halten wir an. Übernachtungsziel erreicht. Auf dem Privatgrundstück eines Bekannten dürfen wir campieren. Für alle anderen gibt es an den Ufern in Abständen immer wieder sogenannte Biwakplätze oder Wasserwanderrastplätze. Meist sind Anlegemöglichkeiten sowie Toiletten und Waschgelegenheiten vorhanden.

Nachts hört man das leise Plätschern der Schwentine am Ufer. Während im Sommer besonders hier am sumpfigen Ufer so manches Mal die Mücken über einen herfallen, tragen wir heute keinen Stich davon. Mit Blick auf den Fluss nehmen wir am nächsten Morgen unser Frühstück ein. Der ein oder andere ist bereits auf dem Wasser und zieht mal schnell, mal langsam an uns vorbei. Wir rollen unsere Isomatten und Schlafsäcke wieder ein, verstauen alles im Boot und legen ab Richtung Ausgangspunkt. Man muss es einfach nur machen.

TOURTIPPS

Eutiner See bis Kieler Förde:
Der Schwentine-Wasserwanderweg erstreckt sich auf 55 Kilometern. Drei bis vier Tage sollten dafür eingeplant werden. Einsteigen kann man in Eutin an der Schwimmhalle. Eine Rast bietet sich in Plön an, bis dorthin sind es ungefähr 20 Kilometer. Von dort aus geht es weiter nach Preetz, was noch mal ungefähr 15 Kilometer sind. Durchs Schwentinetal, Oppendorfer Mühle bis nach Kiel. Wer weiterfahren will und geübt ist, kann sich auf die Kieler Förde wagen, muss hier aber mit reichlich Schiffsverkehr und unruhigem Wasser rechnen.

Eutiner See:
Beim Einstieg in Eutin könnte man fast meinen, dass man in skandinavischen Gewässern paddelt. Kleine Inseln, fjordähnliche Landschaft, bewaldete Ufer. Übernachten kann man auf dem Naturpark-Camping Prinzenholz.

Kellersee:
Fans von den Immenhof-Filmen der 50er-Jahre sollten den Kellersee befahren. Hier kommt man an den Drehorten vom Ferienhof vorbei, der zur Zeit umgebaut wird, damit das Gut wieder im alten Antlitz aus den Filmen erstrahlt. Bequem vom Boot aus kann man einen Blick auf das Herrenhaus und die Lieblingsplätze von Dick und Dalli sowie die Koppeln erhaschen. Für eine Rundtour um den See sollte man aufgrund der Größe einen ganzen Tag einplanen. Bei Wind ist das Wasser allerdings ziemlich kabbelig und es kann zu richtigen Wellen kommen.

Plöner See:
Hoheitlich geht es auf dem Plöner See zu. Mitten im Panorama thront das weiße Schloss. Eine schöne Tour führt um die Prinzeninsel herum. Auch hier bildet sich aufgrund der Seegröße eine kabbelige Welle an windigen Tagen. Mehrere Fischereien entlang der Tour bieten kulinarische Genüsse.

Spotguide

Wir haben für dich ein paar Spots in Deutschland rausgesucht, an denen du deine herbstliche Wasserwanderung starten kannst.

Spree
Das UNESCO-Biosphärenreservat Spreewald wird von einem ganzen Netz aus Wasserwegen durchzogen. Auf einer Mehrtagestour kannst du die Schlossinsel Lübben und handbetriebene Schleusen sehen und mit etwas Glück Biber beobachten. Wen das Urbane lockt, kann auf der Spree die Hauptstadt erkunden. Ganz ohne Stau und Menschenmassen.

Mecklenburgische Seenplatte
Das weitläufige Gebiet bietet eine große Vielfalt an Tourenmöglichkeiten, Flora und Fauna. Ambitionierte können sich auf die Zehn-Seen-Runde begeben. Die kleinen Seen sind alle miteinander verbunden und wie an einer Perlenkette aufgereiht: Woblitzsee, Plätlinsee, Klenzsee, Gobenowsee, Rätzsee, Vilzsee, Labussee, Canower See, Ellbogensee, Großer Priepertsee. Auf der Tour müssen einige Schleusen und rund 40 Kilometer passiert werden.

Treene
Abwechslungsreich gestaltet sich die Treene. Sie bildet mit Eider und Sorge Schleswig-Holsteins größte zusammenhängende Fluss-landschaft. Viele naturbelassene Landschaften lassen sich in den zahlreichen Mäandern entdecken, in denen sich die Treene windet. An den Ufern gibt es viele Rast- und Übernachtungsmöglichkeiten, die das Kanutrekking vereinfachen.

Rur
Wer sich auf die Rur wagt, wird mit aufragenden Sandsteinfelsen und mittelalterlichen Burgen belohnt. Während die Obere und Hohe Rur Actionfans mit Wildwasser locken, ist für Wasserwanderer unterhalb der Ruhrtalsperre der interessante Abschnitt. Ab Heimbach wird es wesentlich ruhiger, landschaftlich aber nicht minder schön. Allerdings tauchen auch hier ab und zu unruhige Wasserstellen auf. Wegen der teilweise starken Strömung sollten sich ungeübte Fahrer nur in fachkundiger Begleitung auf die Tour wagen.

Isar
Die Flusslandschaft der Isar wurde renaturiert und bietet heute grüne Ufer und wunderschönen Kiesbänken, auf denen Rast eingelegt werden kann. Hier entwickeln sich aber auch oft Stromschnellen. Die Isar sollte generell nur von erfahrenen Wasserwanderern befahren werden, da es mehrere Wildwasserpassagen und Baumstämme im Flusslauf gibt. Ein schöner Abschnitt mit Auen-wäldern, die das Ufer säumen, erstreckt sich zwischen Freising und Moosburg.

Altmühl
Reizvolle Etappen auf einem über 150 Kilometer langen Wasserwanderweg warten an der Altmühl auf Tages- und Mehrtagestourer. Der Fluss hat eine gemütliche Fließgeschwindigkeit und eignet sich deshalb auch gut für Anfänger. Entlang des Gewässers erheben sich immer wieder Kalkfelsen, durch die sich der Fluss seinen Weg gefressen hat. Ein Highlight ist sicherlich die Felsgruppe Zwölf Apostel bei Solnhofen. Auf der gesamten Strecke finden sich viele extra eingerichtete Bootsrastplätze.

Rasten:
Wasserwanderrastplatz Kanuverleih Werner Petersen:
An der Kanustation an der Treene im nördlichen Schleswig-Holstein kann direkt auf dem Naturplatz vor der Treenebrücke Sollerup-Hünning das Biwak aufgeschlagen werden. Dusche und WC sind vorhanden. Die Biwakgebühr beträgt 4 Euro, enthält allerdings schon das Holz für ein abendliches Lagerfeuer. Kanuverleih Petersen / Zur Treene 16 / 24887 Silberstedt-Hünning

Wasserwanderrastplatz Kanustation Granzow:
Direkt am See mit Badestrand gelegen, findest du einen netten Biwakplatz, von dem aus du eine mehrtägige Tour über die Mecklenburgische Seenplatte starten oder einfach Rast machen kannst. Kanustation Granzow / Seestraße 11 / 17252 Mirow OT Granzow

Wasserwanderrastplatz Fischerdamm Parchim:
Auf dem Parchimer Wasserwanderrast- und Caravanstellplatz stehen ein Kanu-anlegesteg sowie Grünflächen und eingezäunte Wiesen für Zelte bereit. Von hier aus sind der Plauer See, der Schweriner See, die Müritz und die Elbe zu erreichen. Dieser Platz ist allerdings ein Tipp für Kurzentschlossene, da hier die Saisonzeit nur bis zum 30. September geht. Kanuverleih Parchim / Fischerdamm 4A / 19370 Parchim

Wasserwanderrastplatz zum Jägerhof:
Der kleine Zeltplatz mit Biergarten und Gastronomie befindet sich direkt am Südumfluter, inmitten des Biosphärenreservats Spreewald. Für das leibliche Wohl wird mit frisch geräucherten Forellen, selbstgemachtem Kuchen oder Wildschweinschinken gesorgt. Wasserwanderrastplatz zum Jägerhof / Erste Kolonie 42 / 03096 Burg

Bootsrastplatz Hagenacker:
Direkt an der Altmühl liegt der speziell angelegte Bootsrastplatz mit Anleger, Toiletten und einer Unterstellhütte. Einzelreisende finden für ihr Zelt eine Fläche von rund 1.300 Quadratmetern, Gruppen stehen 500 Quadratmeter zur Verfügung. Achtung: Hier gibt es kein Frischwasser. Hagenacker / 91795 Dollnstein

Text: Ina Krug / Fotos: Jonas Hiller