Sehnsucht Norwegen



Fjorde, Fjells und hyggelige Häuser: die Vielfalt könnte nicht größer sein. Im Land der Mitternachtssonne, das Reiseträume weckt und süchtig macht.

„Atemberaubende Weiten folgen auf tiefe Schluchten, klare, munter sprudelnde Wasserfälle und Bäche sind umgeben von knorrigem Birkendickicht und düsterem Tannenwald. Kein Wunder, dass man einst an Trolle glaubte, um sich all diesen Zauber erklären zu können“, beschreibt Martin Schmidt das Land, von dem er schon vor der Wende hinterm Stacheldraht zu träumen begann. Mittlerweile bereist der Autor, genau wie der Fotograf Thomas Härtrich, das Land seit vielen Jahren. Gestoßen sind sie dabei auf Geschichten von den Samen und ihren Rentierherden, Schneeabenteuern in -Lillehammer und der Stille der Gipfel und einsamen Landschaften.

Das Dovrefjell bietet eben jene. Schier endlos erscheinende Hochebenen. Teilen muss man die Gegend lediglich mit archaischen Wegbegleitern: Moschusochsen. Vor mehr als 70 Jahren wurden sie hier wieder angesiedelt. Zottelig hängt der Pelz an den Leibern herab. Die Hornkronen, die sich wie eine Kappe an den Kopf schmiegen, sehen von Weitem auf dem gewaltigen Körper fast putzig aus, zu Nahe kommen sollte man ihnen dennoch nicht. Selbst Thomas, der seit fast einem Vierteljahrhundert das Land am nördlichen Polarkreis erkundet, zu Fuß Exkursionen unternimmt, meist mit Rucksack und Zelt, immer mit Kamera und Stativ, hält Abstand und greift beim Anblick der Riesen lieber auf technische Hilfsmittel zum Näherkommen zurück.

Statt einsame Weite bietet Norwegens größte Holzhausstadt dem Auge des Betrachters eine Farbenpracht als Kontrastprogramm.

„Die massiven Bohlen knarren unter den Füßen, die hölzernen Wände atmen Geschichte“, beschreibt Martin den Weg durch die schmalen Gassen Bryggens.

Wer eine Reise in längst vergangene Zeiten antreten will, dem empfehlen die beiden den Besuch im historischen Hanseviertel direkt am Hafen in Bergen. Alles scheint hier aus dem Naturmaterial zu sein, selbst der Boden der engen Passagen ist mit Brettern ausgelegt. Zahlreiche Museen veranschaulichen die Geschichte des Viertels, das zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde. „Die farbenfrohen, altehrwürdigen Holzhäuser im Hanseviertel Bryggen strahlen um die Wette“, beschreibt Martin die Szenerie abends und während der hellen Sommernächte. Vom Gipfel des Berges Ulriken, einer von sieben, die die Stadt umgeben, bietet sich ein einzigartiges Panorama aus Scherengürtel, Gebirge und Meer. Den Ausblick muss man sich allerdings erst verdienen: Der felsige Untergrund hält einen Hindernisparcours aus Gesteinsbrocken bereit. An manchen Stellen sollen Geländer etwas Halt bieten. „So stellt man sich die Großstadterkundung nicht vor und die Abfahrt mit der Gondelbahn erscheint als verlockende Alternative“, sagt Martin. „Andererseits befinden wir uns eben in Norwegen – und hier sind viele außergewöhnliche Dinge möglich.“

Ihre Eindrücke haben sie in dem Bildband „Sehnsucht Norwegen. Land der Mitternachtssonne“ festgehalten, ein Buch voller Reiseträume, nicht nur für Naturliebhaber. Bis zu den Lofoten und darüber hinaus zum Nordkap führen sie ihre Touren. In Gefilde mit noch mehr Naturwundern, noch weniger Menschen, dafür aber zahlreichen Rentieren, der Lebensgrundlage der Sami. In den Weiten der Hochebene der Finnmarksvidda kann man sich der Lebensweise der nordischen Urbevölkerung nähern. Und dann steht man dort, wo Atlantischer und Arktischer Ozean aufeinandertreffen. Anders als in den subarktischen Landstrichen ist man hier nicht allein. Den nördlichsten Punkt -Europas betritt man mit Gleichgesinnten. „Ich empfand es als durchaus erhebend, zusammen mit so vielen anderen diese Sehnsuchtsreise unternommen zu haben und auf die viel gerühmte Mitternachtssonne zu warten.“ Nicht immer lässt sie sich blicken, mal nur als kleiner Ball hinter dichtem Nebel, mal gar nicht. „Doch darauf ist man gefasst, die Launen der Natur sind Teil des erwarteten Menüs.“

Tipps:
Essen und Trinken
Bergen, Cornelius Seafood Restaurant
Eines der besten Fischrestaurants Norwegens findest du auf einer kleinen Insel etwas außerhalb der Stadt Bergen. Passend zur Lage und dem spektakulären Blick über den Fjord bietet das Restaurant Fischgerichte vom Feinsten. www.corneliusrestaurant.no

Unterkunft
Norangsfjorden, Hotel Union Øye
Das Hotel Øye, umgeben von mächtigen Bergen, wurde im norwegischen Drachenstil erbaut. Es gilt seit Generationen als beliebter Ort für Schriftsteller und Adelige. Hier sollen unter anderem Berühmtheiten wie Kaiser Wilhelm II., Queen Maud, Dramatiker Henrik Ibsen und Autorin Karen Blixen genächtigt haben. www.unionoye.no

Veranstaltung
Norsk Fjellfestival
Eine Woche lang treffen sich in Åndalsnes Outdoorfans zum gemeinsamen Wandern und Bergsteigen. Die Location wurde nicht ohne Grund gewählt: Der Ort ist eingebettet zwischen Fjord und steilen Berghängen und gilt als Bergsteigerhauptstadt. 
www.norskfjellfestival.no

Text: Ina Krug
Fotos: Thomas Härtrich