Israel gelobtes MTB-Land!

Israel ist ein Land mit faszinierender Geschichte und vielen Facetten – und viel wurde über diese beiden Aspekte bereits geschrieben. Trialstar David Cachon fügt ein Kapitel hinzu. Und zeigt Israel als echtes Mountainbikeparadies, voller Menschen, die das Mountainbiken schätzen und lieben.

Mit nervtötendem Klingeln reißt mich der Wecker aus meinen Träumen. Ich stehe auf, stolpere durch das Zimmer und ziehe meine Hose an. Zum Glück habe ich gestern Nacht schon meine Sachen zurechtgelegt und Gepäck sowie Bike ins Auto geladen, sodass ich selbst als morgendlicher Zombie kein Problem damit habe, durchzustarten. Mit der letzten Tasche in der Hand schmeiße ich mich in mein Auto und düse los Richtung Madrid.

Dort will ich mich mit Ismael treffen, meinem besten Freund und Fotograf dazu. Ich weiß, dass es ein harter Trip werden wird, und so drehe ich die Hardcoremusik, die aus dem Autoradio kommt, noch ein bisschen lauter. Ich erreiche die Hauptstadt Spaniens und treffe einen abenteuerlustigen Ismael. Zusammen steigen wir in ein Taxi um. Der Fahrer stöhnt laut, als er unser Gepäck sieht.

Riesige, mit Rose-Logos verzierte Fahrradboxen und viele weitere Koffer, aufgehübscht mit den Aufklebern von Ion, Poc, SR Suntour, El Gallo, FiveTen, Wallride und La Casa de la Bicicleta.

Am Flughafen ist die Begeisterung beim Personal ähnlich groß und als wir schließlich eingecheckt haben und das Flugzeug in der Luft ist, mache ich erst einmal ein fünfstündiges Nickerchen.

Sanfte Landung in Israel. Am Flughafen empfängt uns bereits ein Komitee des Tourismusministeriums. Nach einer herzlichen Begrüßung steigen wir in ein Taxi, das uns von Tel Aviv nach Nahariya bringen soll. Nach zwei Stunden erreichen wir das Carlton Hotel und müssen feststellen, dass es dort kein Essen mehr gibt. Dabei ist es erst 21.30 Uhr! Haben sie hier etwa kein Herz für Spanier?, frage ich mich. Wir plündern das Obst aus dem Begrüßungskorb auf unserem Zimmer, checken nebenbei unser Equipment. Ismael fummelt an seiner Fotoausrüstung herum und ich präpariere mein neues Rose Uncle Jimbo, an dem sich einige exotische Parts tummeln wie die von El Gallo sowie neue Dämpferelemente von SR Suntour.

Als wir schließlich den Jacuzzi auf der Terrasse entdecken, wissen wir: Das kann nur ein guter Trip werden.

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Erneut starten wir in aller Herrgottsfrühe. Vor dem Hotel treffen wir unseren Guide Ran Ganor von Ganor Bikes. Unser erstes Ziel ist die hügelige Gegend rund um Birya, die uns mit einem der spaßigsten Singletracks des Landes überrascht. Obwohl es auch einige technisch anspruchsvolle Abfahrten gibt, sind die meisten Trails entspannt. Genau das Richtige, um langsam in Fahrt zu kommen. Am Nachmittag machen wir noch einen Abstecher nach Akko. Die Küstenstadt liegt direkt am Mittelmeer in der Nähe der Bucht von Haifa. Akko ist eine der ältesten Städte der Welt, ihre Geschichte geht bis auf 3.000 Jahre vor Christus zurück. Wir genießen einen kurzen Ausflug in die Altstadt, die uns mit ihren engen Gassen und windschiefen Treppen augenblicklich in längst vergangene Zeiten befördert. Wir trinken einen Kaffee auf dem Bazar und probieren lokale Spezialitäten. Unglaublich, wie tief man in ein Land eintauchen kann, wenn man auf einheimisches Essen und Gesprächspartner trifft.

Es ist Zeit, Nahariya wieder zu verlassen. Zum Abschluss nehmen wir uns aber noch einmal den Zippori Forest vor. Mitten im Wald befindet sich ein kleiner Bikeshop, dort starten einige der besten Trails der Umgebung. Kurvenreich schlängelt sich die Strecke zwischen Bäumen und Felsen dahin, wir tanken Adrenalin für den ganzen Tag. Vor dem Mittagessen besuchen wir noch die Ruinen von Zippori. Es ist ein beeindruckender archäologischer Komplex westlich des Sees Genezareth, in der Nähe von Nazareth. Ich bin überglücklich, als mir erlaubt wird, den Ort mit dem Bike zu erkunden, und so cruise ich über die Terrassen des alten, römischen Theaters, komme an unglaublich gut erhaltenen Mosaiken vorbei, wir schießen jede Menge Bilder.

Schließlich machen wir uns auf nach Jerusalem. Eine riesige Stadt mit extremem Verkehrsaufkommen empfängt uns mit offenen Armen. Niemand wäre besser geeignet, uns die Stadt zu zeigen, als die Jungs von Bike Jerusalem. Sie führen uns durch die scheinbar endlosen Passagen einer uralten Stadt, die vor Historie nur so strotzt. Uns läuft ein Schauer über den Rücken, als wir darüber nachdenken, was in dieser Stadt schon alles geschehen ist. In einem Restaurant in der Altstadt essen wir Kebab und Salat und lassen die faszinierende Kulisse auf uns wirken.

Tag vier stellt sich als etwas Besonderes heraus: Heute erlebe ich einen meiner besten Biketage überhaupt. Wir verbringen den gesamten Tag in Jerusalem, ich erklimme die Dächer der Stadt, besuche ihre Märkte und bin vollkommen davon überwältigt, an einem Ort zu fahren, der so bedeutend für die Menschheitsgeschichte ist. Die ersten Spuren von -Jerusalem reichen sage und schreibe 7.000 Jahre zurück. In jeder Ecke der Stadt hört man, wie der Wind Geschichten flüstert, jeder Stein ist ein Denkmal. Sie wird von Israel als eigentliche Hauptstadt angesehen, es ist die Stadt, die mehr als 70 Namen für Liebe und Sehnsucht kennt. In alten Karten erscheint sie als Mitte der Welt und sie bekommt trotz oder gerade wegen ihres Alters mehr Bewunderung als eine junge Braut. Jerusalem verursacht unwillkürlich überwältigende Emotionen, ganz gleich wie spirituell oder religiös man orientiert ist.

Das Herz der Altstadt ist von einer Mauer umgeben und in vier Viertel unterteilt: das jüdische, das armenische, das christliche und das muslimische. Hier befindet sich auch die von den Juden „Westliche Mauer“ genannte Klagemauer. Sie ist Teil der Stützmauer des Plateaus, auf dem der große Tempel Herodes des Großen stand. Viele Gläubige besuchen täglich die Klagemauer, um zu beten oder aufgeschriebene Gebete, Wünsche und Danksagungen in die Ritzen und Spalten der Mauer zu stecken. Für viele Juden ist die Mauer ein Symbol für den Bund Gottes mit seinem Volk.

Heute ist es an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich neuen Zielen zuzuwenden. Nach einer längeren Autofahrt erreichen wir die Negev-Wüste. Die Landschaft ist karg, dazu ist es ziemlich heiß. Das Abenteuer beginnt im Bikeshop The mdavesh, ein riesiger Shop mit Hunderten Fahrrädern, einer Werkstatt und Pumptrack im Garten. Direkt von hier starten auch sämtliche Trails der Gegend, sie sind als Beeri-Singletrails bekannt. Wie entschließen uns, eine Weile auf den markierten Routen zu fahren, die extrem flowig sind und zu wahren Heizorgien verführen. Nach einer Weile verlassen wir die Trails und bewegen uns Richtung angrenzenden Gazastreifen. Wir orientieren uns an einer Betonstraße, die von den Briten im Zweiten Weltkrieg als Transportweg genutzt wurde. Alte Bunker und Wassertanks säumen unseren Weg, eine Dünenlandschaft will von uns entdeckt werden. Nach einigen Stunden in extremer Hitze fahren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück und genießen ein großes Eis im Bikeshop.

Erneut Tag des frühen Vogels: Um fünf Uhr morgens klingelt der Wecker. Denn heute wollen wir den Sonnenaufgang am Ramon-Krater miterleben. Für gewöhnlich bin ich ein Morgenmuffel, aber als wir am Krater ankommen, bin ich so motiviert, dass ich mich voller Lust in diese einmalige Landschaft stürze. Ein bisschen erinnert die Umgebung an die spanische Halbwüste Bardenas Reales, nur hier ist es noch ein bisschen wilder. Es gibt Hunderte Kilometer guter Mountainbiketrails, es wurde einiges an Geld investiert, um die Gegend für Stollenreifen attraktiv zu machen. Kilometerweit rollen wir dahin, es ist ein unglaubliches, spektakuläres Szenario. Noch einmal nehmen wir einen Locationwechsel vor, es geht nach Samar. Wir gastieren in einer Anlage mit kleinen Hütten. Bier und Suppe stehen bereit, anschließend inspizieren wir die Anlage. Überraschenderweise finden wir einen netten Pumptrack aus Zement, hier lassen wir den Tag gediegen ausklingen.

Bevor ich nach Israel kam, hatte ich nur eine recht diffuse Vorstellung von diesem Land.

Ich bin sprachlos über die Natur und die Menschen, die mir hier begegnen, und über die unglaubliche Anzahl an besten Mountainbike-trails.

Die Trails bedienen Fahrer sämtlicher Könnensstufen, von relaxten Cross-Country-Runden bis hin zu technisch sehr anspruchsvollen Abfahrten ist alles dabei. Der letzte Tag beschert uns noch einmal ein besonderes Geschenk: den Timna-Park. Uns wird die Erlaubnis erteilt, in der geschützten Naturlandschaft zu filmen, die sich nördlich von Eilat in der Negev-Wüste befindet, dicht an der jordanischen Grenze. Es ist ein majestätischer Ort, der beeindruckende Naturwunder beheimatet wie Salomons Säulen oder die pilzförmigen Gesteinsformationen. Auch hier wurde an die Radfahrer gedacht und so gibt es einen 19 Kilometer langen Rundkurs, der an vielen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt.

Nach diesem Abenteuer müssen wir uns von Israel und unseren neuen Freunden Ran Yaron Ganor und Deri von Samar Bike verabschieden, die uns nicht nur gute Guides waren, sondern auch ans Herz gewachsen sind. Der Shuttle bringt uns zurück nach Tel Aviv, in der Nacht fliegen wir zurück. Bye, bye friends, wir sehen uns beim nächsten Bikeabenteuer in einem tollen Mountainbikeland wieder! Shalom!

Text: David Cachon
Fotos: Ismael Ibánez