Biken auf Mallorca

Kaum ein Ort ist mit so vielen Vorurteilen gepflastert. Höchste Zeit, die unbekannten Seiten der Insel abseits des Nachtlebens mit dem Rad zu erkunden. Doch Bilder sagen mehr als tausend Worte. Ein „emotionaler Dosenöffner“, um selbst aktiv zu werden.

Üppige Obstplantagen, charmante Orte, verträumte Felsbuchten: Für uns ist Mallorca eine der schönsten Inseln auf unserem Planeten. Jeder, der das lärmende Geplärre des Ballermann beiseite schiebt, weiß, wovon wir reden. Und glaubt man den nackten Zahlen, wissen das besonders viele Deutsche. Denn ein Großteil der 13,8 Millionen Besucher, die die spanische Baleareninsel 2017 zu verzeichnen hatte, war aus Deutschland. Seit Jahren jagt die Insel ihre eigenen Besucherrekorde und verspeiste sie ein ums andere Mal. Eine spezielle Gruppe Mallorcatouristen bleibt dem großen Hauptstrom der Ferien- und Sommerbesucher allerdings verborgen. Die Radsportler. Geschätzte 300.000 Zweiradurlauber haben 2017 ihre Lycratrikots und Klickpedalschuhe eingepackt, um die größte Insel der Balearen zu erobern. Einer von vielen Gründen für Sportfotograf Marco Knopp, sich diesem Thema einmal intensiv zu widmen. Entstanden ist dabei ein Bildband, der die Insel und das Rennradfahren perfekt verbindet. Für uns Anlass genug, mit ihm zu sprechen.

Fangen wir mal ganz simpel an. Wieso Mallorca?
Ich bin als Fotograf viel unterwegs, und da hat es mich wegen des milden Klimas, der abwechslungsreichen Natur und der kurzen Flugdauer natürlich schon öfter für Shootings nach Mallorca verschlagen. Anfangs haben mich Reisereportagen und dann immer häufiger Katalog- und Imageshootings für Firmen aus der Radbranche nach Mallorca getrieben. Die Insel ist einfach perfekt für Fotografen.

Was meinst du damit genau?
Es ist diese Fülle an großartigen Spots. Man kann die Fotofahrer an steilen Klippen mit dem brandenden Meer im Hintergrund ablichten und wenige Minuten entfernt befindet man sich schon zwischen riesigen Orangen- oder Mandelbaumfeldern, noch ein paar Minuten weiter geht es dann durch ein altes Dorf direkt zum weißen Sandstrand. Es ist einfach diese Menge an wunderschönen Orten und abwechslungsreicher Natur, die das Fotografieren dort so angenehm macht.

Warum ist die Insel unter Rennradfahrern so beliebt?
Der Radtourismus auf Mallorca geht bis in die 80er-Jahre zurück. Die Insel bietet besonders im Winter und Frühjahr durch ihr gemäßigtes subtropisches Klima perfekte Bedingungen zum Radfahren. Zufälligerweise die Jahreszeit, wo es bei uns alles andere als angenehm auf dem Rad ist. Deswegen ist besonders in den Monaten Januar bis Mai hier radsporttechnisch die Hölle los. Die Fahrer kämpfen sich mit Schweißperlen überdeckt Sa Calobras gefürchtete Serpentinen hoch oder ballern um die letzte Kurve zum Cap -Formentor. Ich war in diesen Monaten öfter auf Mallorca zum fotografieren und habe gesehen, wie sich ganze Karawanen Radfahrer direkt nach dem Frühstück in Richtung Gebirge aufmachten. Oder wie abgekämpft, aber vollkommen glücklich die Fahrer abends bei einem Bierchen an der Bar saßen und mir erzählt haben, wie viele Kilometer sie wo gerissen haben. So entstand „Mallorca Roadbike“.

Aber die Bilder zum Buch sind ja sicher nicht nebenher bei deinen Werbeshootings entstanden, oder?
Nein, ganz und gar nicht. Mir war wichtig, keine gestellten Bilder zu schießen. Ich wollte dokumentieren und nicht produzieren. Daher bin ich zweimal für einige Wochen auf die Insel geflogen und habe mit der Kamera an den schönsten Stellen gewartet, bis jemand vorbeikam.

Das stelle ich mir sehr langwierig vor?
Das liegt daran, dass du noch nicht gesehen hast, wie viele Radsportler sich an einem schönen Märztag auf den Straßen Mallorcas bewegen. Da muss man nicht lange warten (lacht). Es ging mir aber auch nicht darum, jede Menge Actionshots einzufangen. Ich wollte das Gefühl festhalten, das jeder kennt, der dort schon einmal mit den Rennrad unterwegs gewesen ist. Sport und Natur vermischen sich an diesem Ort extrem. Daher gibt es auch einige Bilder im Buch, die keine Radfahrer zeigen, oder nur sehr klein in der Ferne. Ich wollte, dass der Betrachter der Bilder denkt:

„Gott, würde ich da jetzt gern auf dem Rad sitzen.“

Infokasten:
Sa Calobra
Sa Calobra ist die Königsetappe auf Mallorca. Nichts für Radsportbegeisterte, die ihre ersten Ausfahrten machen. Hier sollte man auf jeden Fall über eine gewisse Kondition und auch Fahrvermögen verfügen. Besonders die Abfahrt zur Sa-Calobra-Bucht verlangt dem Fahrer und dem Rad einiges ab. Wir empfehlen die Tour von Sóller über den Puig Major, den höchsten Berg der Insel, und dann die circa zehn Kilometer lange und spektakulär gewundene MA-2141 nach Sa Calobra. Hier vernichtet man über 700 Höhenmeter bei sieben Prozent Steigung. Am Beginn der Abfahrt passiert ihr als erstes die berühmteste Kurve von Mallorca. Den Krawattenknoten, die 270-Grad-Kurve ist das Tor zu Sa Calobra, von hier aus geht es bergab. Da es sich um eine Sackgasse handelt, sollte man nicht vergessen, dass der Weg nach oben zwangsläufig kommen und kräftezerrend wird. Trinken und Energieversorgung daher unbedingt im Auge behalten.

San Salvador
Ebenfalls wunderschön und nicht ganz so brutal wie Sa Calobra ist der Aufstieg zum San Salvador. Der heilige Salvador bietet eine Aufstieg von 4,8 Kilometer Länge bei 6,4 Prozent Steigung und 390 Höhenmetern. Der Berg liegt im Südosten der Insel nahe der Stadt Felanitx. Auf seinem Gipfel findet ihr ein ehemaliges Kloster, ein Restaurant, ein Café und einen Brunnen mit dem angeblich klarsten und leckersten Wasser der ganzen Insel. Im Frühjahr trainieren viele Profis an diesem Berg ihre Ausdauer, indem sie ihn immer wieder hoch- und runterknüppeln. Während des Aufstieges bietet die Strecke allerdings auch immer wieder Möglichkeiten, am Rand anzuhalten und den Ausblick zu genießen oder eine kurze Pause einzulegen, was San Salvador auch für Anfänger als machbare Aufgabe auszeichnet.

Text & Interview: Ina Krug
Fotos: Marco Knopp