Über den Dächern der Stadt
Ein offizielles Rennen hat mindestens 100 Treppenstufen. Die schaffst du mit etwas Training locker. Spektakulär wird es dann, wenn du zu Fuß die höchsten Gebäuden der Welt erklimmst. Towerrunning! RAUS! sprach mit einem Profi, zeigt atemberaubende Events und gibt Tipps für deinen Einstieg in den Trendsport.
Wenn man Görge Heimann fragt, wann er das letzte Mal den Aufzug benutzt hat, stutzt er nur kurz und sagt: „Das mache ich ziemlich oft. Im Training und bei Rennen geht es ja nur rauf, nicht runter.“ Und auch privat quält er sich nicht jedes Mal in feinem Zwirn oder mit Einkäufen bepackt die Treppen hoch. Das ist sein Sport. Den macht er lieber in Turnschuhen. Und das sehr erfolgreich. Angefangen hat alles 2011, als der ehemalige Läufer und Triathlet per Zufall auf ein Rennen in der Nähe stößt und befindet: „Das ist genau das Richtige für mich!“ Der Erfolg gibt ihm recht (er wird Zweiter) und treibt ihn an. Nach nur einem Jahr Lehrzeit steigt er in die Weltspitze auf. Gewinnt 2012 den Vertical Marathon Dubai und in diesem Jahr den Carrera Verticale Torre Latino in Mexico City. 720 Stufen, sein Lieblingsrennen. „Mir gefällt das Land einfach so gut“, sagt er. Sein Lieblingsgebäude ist allerdings der Taipei 101, 91 Stockwerke, 2.046 Stufen. „Der ist sehr herausfordernd. Und das ist ideal für mich“, sagt der 49-Jährige selbstsicher. „Es ist ein Sport, der Erfahrung braucht. Und Technik.
Wenn im Treppensport unerfahrene Sportler – Marathonläufer oder Triathleten beispielsweise – meinen, sie könnten einfach so in die Spitzenrennen wechseln, werden sie von den Towerrunnern überholt.
Das hat man in diesem Jahr auch beim Rennen auf den Eiffelturm gesehen.“ Es ist ein noch junger Sport, doch der Nachwuchs schläft nicht. „Noch ist es etwas exotisch, aber seit der Wiederentdeckung boomt die Szene, immer mehr nationale Verbände entstehen, das Interesse nimmt zu“, sagt der Kölner. Auch vonseiten der Veranstalter. Man nutzt den Eventcharakter, um die Gebäude oder Investoren zu vermarkten, viele Läufe auf besondere Wahrzeichen sind Charity-Runs. Doch die Elite der Towerrunning-Community ist trotz allem noch sehr überschaubar. Görge gefällt das. „Man sieht immer wieder die gleichen Gesichter, freundet sich an, trifft sich fortwährend. Auch in der Freizeit. Es ist ein internationaler Austausch. Das ist schön.“
Zudem sei man sehr fair. Wer beim Rennen überholt wird, muss den Weg frei machen. „Das wird auch so umgesetzt. Man gönnt sich das gegenseitig“, bestätigt der Profi. Der oder die Schnellste zu sein, sei ja auch nicht der einzige Lohn. Am Ende eines unglaublich anstrengenden Wegs auf den interessantesten Gebäuden der Welt zu stehen, beschere ein echtes „Gipfelerlebnis“. Die Finisher-Urkunde wird als eine Art Souvenir angesehen. Als Beweis für die eigene Leistung, aber auch dafür, dass man an Orten war, an die man nicht so einfach kommt. „Den Eiffelturm beispielsweise kennt jeder, jeder könnte seine rudimentären Formen zeichnen. Da ist es toll, ganz auf seiner Spitze, der dritten Plattform, zu stehen. Touristen dürfen mit ihren Tickets nur bis auf die zweite zu Fuß gehen. Die enge Wendeltreppe bekommen sie nicht zu Gesicht.“ Apropos Sehen, eine wichtige Lektion hat der begeisterte Towerrunner gleich zu Anfang gelernt: „Es war 2013 beim SkyRise im Willis Tower in Chicago. Ich war das erste Mal in den USA und hatte neue Handschuhe an. Irgendwo zwischen dem 50. und 60. Stock wollte ich mir damit den Schweiß aus dem Gesicht wischen und fegte mir dabei die Brille von der Nase. Sie fiel treppab. Mich kostete das drei Sekunden – und den Sieg. Seither trage ich meist Kontaktlinsen. In der Szene werde ich immer noch auf den Vorfall angesprochen“, resümiert Görge und lacht.
Infos:
Es ist Beinarbeit gefragt! Und das richtige Know-how, denn das Rennen in vertikaler Richtung, bei dem man sein eigenes Körpergewicht gegen die Schwerkraft nach oben befördern muss, erfordert ein anderes Herangehen als das Laufen in der Ebene. Hier die wichtigsten Tipps:
Equipment:
– Budgetfreundlich: Leichte Laufschuhe und Trainingskleidung aus atmungsaktivem Material, mehr braucht man eigentlich nicht.
– Zusatzleistung: Handschuhe für den festen Griff zum Geländer und Kompressionssocken für die bessere Regeneration sind ein Kann, aber kein Muss.
Technik:
– Wärmstens empfohlen Das Warm-up vor dem Start ist unerlässlich. Es sollte am besten auf der „Renntreppe“ erfolgen.
– Erst mal langsam: Die erste Runde im Treppenhaus zum Reinfühlen besonders langsam und bedächtig angehen.
– Schnell gehen, nicht rennen: Das machen auch die meisten Profis so!
– Nimm zwei: Ein Zweistufenrhythmus ist am effektivsten.
– Die Kurve kratzen: An der Innenseite der Treppe bleiben und, soweit vorhanden, am Geländer um die Ecke ziehen. Das verschafft Führung und Schwung.
– Hand drauf: Verlässt einen die Kraft, hilft es manchmal, sich mit den Händen auf den Knien abzustützen, allerdings nur, wenn es kein Geländer zum Festhalten gibt.
– Schritt halten: Gleichmäßigkeit ist das Geheimnis. So kommt man bis ins Ziel.
Training:
– Keine Ausreden: Trainieren lässt sich jederzeit und überall, wo Treppen sind.
– Kopfsache: Mental darauf einstellen, das Treppenlaufen als Sport zu sehen. Und den dann auch in Sportklamotten und motiviert angehen. Im Alltag, bei Zeitnot und mit Gepäck darf es auch ruhig der Aufzug sein.
– Anfängerfehler: Bei Treppenläufen geht es im Allgemeinen immer aufwärts. Das ist gelenkschonender und so sollte auch trainiert werden.
– Das Feeling: Step-Geräte in der Kraftkammer sind kein Ersatz. Wichtig ist, das nötige Gefühl für die jeweilige Treppe zu bekommen. Außerdem ist die Treppe kostenlos.
– Lesen lernen: Locations erst mal genau in Augenschein nehmen und die Route vorfühlen: Wie breit und wie hoch ist die jeweilige Stufe? Wie viele Stufen ergeben einen Block? Gibt es ein Geländer und wie ist es beschaffen?
Treppenlaufen ist angesagt. Das macht fit, gute Laune und bringt einen an ungewöhnliche Orte. International, aber eben auch vor der eigenen Haustür.
Senftenberger See Turmlauf – Für Groß und Klein
Wo: „Schiefer Turm“ von Hosena am Südufer des Senftenberger Sees
Wann: 13. August 2017
Ziel: 180 Stufen, Kinder bis 9 Jahre nur 116 Stufen
Turmhöhe: 31,5 Meter
Startgebühr: keine
Jeder Starter hat zwei Versuche, der schnellste zählt. Alle vorangemeldeten Teilnehmer erhalten Urkunden, die Gewinner Pokale! Der Lauf ist perfekt geeignet für Familien, da erstens alle Altersklassen berücksichtigt werden und zweitens die Umgebung zum Bleiben einlädt: Der Turm am See ist auf einem Radweg erreichbar, Campingplatz und Ferienhäuser gibt es in direkter Nähe.
www.tri-team-sfb.de
Treppenlauf am Wiener Donauturm – Grüne Aussichten
Wo: Donauturm, Wien
Wann: 8. September 2017
Ziel: 150 Höhenmeter, 779 Stufen
Turmhöhe: 252 Meter
Startgebühr: Wird noch bekannt gegeben.
Der Donauturm wurde 1964 zur WIG, der Wiener Internationalen Gartenschau, errichtet und überragt seither die Stadt. Der Treppenlauf findet 2017 zum 21. Mal statt. Hobbyläufer und Profis sind willkommen, maximal aber nur 400 Teilnehmer. Wer sich vorher mal umsehen will: Im Restaurant gibt es Erfrischungen – und natürlich hat das Ding auch einen Aufzug.
www.donauturm.at/de/Special/Treppenlauf
run up berlin – Über dem Alex
Wo: Hotel Park Inn am Alexanderplatz, Berlin
Wann: 30. September 2017
Ziel: 39. Etage, 110 Meter, 770 Stufen
Turmhöhe: 150 Meter
Startgebühr: ca. 15 Euro (Kosten für 2017 werden noch bekannt gegeben!)
Eine Herausforderung nicht nur für die Sportler der Hauptstadt. Das Ziel ist die 39. Etage des Park Inn, das zweitgrößten Hotel der Bundesrepublik. Wer hier oben auf der Aussichtsplattform steht, hat es geschafft und kann die Aussicht auf den Fernsehturm und den Alexanderplatz genießen. Für Trainingszwecke öffnet das Hotel auch vorher schon zu angekündigten Terminen seine Pforten.
LVM-SKYRUN MÜNSTER – Die Jagd beginnt!
Wo: LVM Versicherung in Münster
Wann: 15. Oktober 2017
Ziel: 53 Höhenmeter, 360 Stufen, mehrere Durchgänge
Turmhöhe: 18 Etagen
Startgebühr: Wird noch bekannt gegeben.
Das höchste Treppenhaus der Stadt ist mit 53 Metern nicht gerade riesig, doch dank der 360-Grad-Verglasung eine spektakuläre Lauflocation. Weitere Besonderheit: das System. Die Läufer starten alle 15 Sekunden. Die besten 128 Männer und 32 Frauen qualifizieren sich für die zweite Runde, in der der beste Läufer gegen den letztplatzierten seines Geschlechts antritt und so fort. Der langsamere Läufer bekommt drei Sekunden Vorsprung und wird gejagt. Den Finalisten stecken am Ende 2.880 Treppenstufen in den Knochen.
La Verticale de la Tour Eiffel – Glamouröses Urgestein!
Wo: Eiffelturm, Paris
Wann: März 2018
Ziel: 81 Etagen, 1.665 Stufen
Turmhöhe: 324 Meter
Startgebühr: 10 Euro (Voranmeldung), 50 Euro (wenn man zum Start zugelassen wird). Es wird für wohltätige Zwecke gespendet.
Paris – die Stadt der Liebe und der 1.000 Lichter. Unendliche Sehenswürdigkeiten. Eine der beliebtesten, den Eiffelturm, besuchen jährlich über sechs Millionen Menschen. Und die nehmen fast alle den Aufzug. Einmal im Jahr wird um die Wette gelaufen. Teilnehmen kann, wer im Vorfeld ausgewählt wird oder Glück beim Losverfahren hat. Training lohnt sich in jedem Fall. Zudem ein Croissant aus einer örtlichen Bäckerei – ob als Belohnung oder Trostpflaster.